Hallo Merlin,
in der Branche, in der du dich befindest, könnten bewußte Falschinformationen oder geschönte Nachrichten Sinn machen (ich kenne mich, was IT anbelangt, kaum aus). Ich glaube, ich verstehe so einigermaßen was du meinst und denke, daß deine Strategie viele Vorteile hat und das geringere Übel ist.
Klar können verschiedene Infos verwirren. Auch da kann ich dir uneingeschränkt zustimmen.
Doch das war nicht das, was ich meinte, als ich schrieb, daß bewußte Fehlinformation Schaden anrichtet. In einem Fall, bei der die eine Quelle berichtet, daß es durch ein Zugunglück 50 Verletzte gab, die andere von 40 spricht und eine dritte sogar über 60 Verletzte berichtet, macht es keinen bedeutenden Unterschied, wenn die unbeteiligten Leser nicht exakt wissen, wieviele Leute es denn nun genau waren.
Ich glaube, ich habe das zu sehr verallgemeinert und das ist natürlich Unsinn. Sorry, das war mein Fehler. Es ist sehr wichtig, zu unterscheiden, um was für eine Art von (bewußter) Fehlinformation es geht.
Das, was ich meinte, waren nicht verwirrend unterschiedliche Informationen, sondern durchaus gleiche oder sich stark ähnelnde Falschinformationen, die bewußt in Umlauf gesetzt werden, weil z.B. Politiker, ein spezielles Ziel verfolgen und auf eine ganz bestimmte Meinungsbildung der Bevölkerung hinarbeiten. Das erreichen sie dadurch, indem sie Falschinformationen verbreiten und die ihrem Ziel gegensätzlichen Nachrichten verschweigen. Und DAS ist nichts anderes als Zensur.
Es ist nun mal allgemein üblich und grundsätzlich auch gar nicht dumm, so zu handeln, wie du es bereits erwähnt hattest: Man vergleicht die Berichte zu einem Thema, von dem man wenig weiß, und wenn die überwiegende Mehrheit mitteilt, daß z.B. Alkohol krebserregend ist, dann wird die breite Masse denken, daß da wohl was dran sein müßte. Sie werden annehmen, daß sich viele Leute nicht so leicht irren können. Wenn man in einem Gebiet keine oder wenig Ahnung hat, bleibt einem auch nicht viel anderes übrig. Genau das war das Ziel der Lügner.
Höchstwahrscheinlich wird man so lange bei dieser Meinung bleiben, bis man entweder eigene Erfahrungen macht und/oder von den Erlebnissen seines Umfeldes hört.
Auch dann, wenn man der allgemeinen Meinung widersprechende Erfahrungen gesammelt oder mitgeteilt bekommen hat, wird man dazu tendieren, sich oder den erzählenden Freund, als nicht repräsentativen Einzelfall zu betrachten. Das könnte fatal sein.
Schädlich ist eine Fehlinformation dann, wenn sie mich oder Leute meines Umfeldes unmittelbar betrifft und dazu führt, daß ich aufgrund der Fehlinfo anders als geplant handle oder behandelt werde.
Über andere Themen kann ich nicht viel sagen, deshalb überlasse ich das anderen. Was Medizin, Kräuter und Substanzen anbelangt, stellte und stelle ich immer noch fest, daß darüber viele Legenden und Falschinformationen kursieren. Ganz schlimm ist auch, daß noch nicht einmal die Ärzte richtige Informationen haben bzw. an den Patienten weitergeben. Vielleicht stecken sie auch mit den anderen Lügnern unter einer Decke.
Ein Beispiel direkt aus dem Leben: Eine ca. 65-jährige Frau hat oft mittelstarke bis starke Schmerzen. Die hat verschiedene Therapien ausprobiert und diverse Ärzte konsultiert, aber helfen (= die Schmerzen zu lindern oder an der Wurzel packend beseitigen) konnte ihr bis jetzt niemand. Sie macht aber weiter und läßt nichts unversucht, um die Schmerzen loszuwerden.
Problem: Die vom Arzt verschriebenen Schmerzmittel lindern kaum ihre Schmerzen, was ihre Lebensqualität sehr beeinträchtigt. Zudem erschwert es das Ausprobieren von weiteren Therapien, denn die beste Therapie nützt nichts, wenn man es vor lauter Schmerzen nicht schafft, zum Arzt zu gelangen bzw. die Behandlung wie Masagen nicht durchführen lassen kann, weil jede Berührung an den Stellen starke Schmerzen verursacht. Nun gibt es freilich eine Menge stärkere Schmerzmittel, die fast immer ein Opiat als Einzel- oder Hauptwirkstoff enthalten.
Sie hat, wie die viele andere Leute auch, gehört, daß Opiate sehr stark süchtig machen. Außerdem teilte ihr mal ein Arzt mit, daß sämtliche opioiden Schmerzmittel nur bei Krebskranken im Endstadium verwendet werden. Sie ist nicht sonderlich selbstbewußt und würde nie versuchen, auf ein schmerzlinderndes Medikament zu bestehen bzw. die ärztliche Meinung in Frage stellen. Außerdem befürchtet sie, von den Schmerzmitteln abhängig zu werden.
Das ist übrigens eines der traurigsten Beispiele für Fehlinformation. Offenbar ist sehr viel dran an dem Gerücht, daß das Thema "Schmerzen" im Lehrplan eines Arztes wenig Platz gefunden hat, obwohl doch die meisten Patienten wegen Schmerzen zum Arzt gehen. Jedenfalls kennen sich anscheinend die allerwenigsten Ärzte mit opioiden Schmerzmitteln aus oder informieren ihre Patienten absichtlich in falscher oder unzureichender Weise. Anders sind die 50.000 Selbstmorde von chronisch Schmerzkranken nicht zu erklären. Was soll denn noch gehen, wenn sich Leute mit starken und/oder andauernden chronischen Schmerzen ängstigen, sich mit Schmerzmitteln Linderung zu verschaffen? Was ist das für eine verrückte Welt, in der viele Ärzte nichts unversucht lassen, um dem Schmerzgeplagten, wegen einer möglicherweise auftretenden Sucht, keine opioiden Schmerzmittel zu verschreiben?
Das z.B. ist es, was ich mit schädlichen Fehlinformationen meine.
Sehr traurig ist, daß ich dieser Frau mit nichts die Angst vor der Sucht nehmen kann, ganz egal, wie ich es anstelle. Zu tief ist der Glaube in ihr und der weit überwiegenden Mehrheit der Leute verwurzelt, daß bereits ein paar Anwendungen dieser opioiden Substanzen, unrettbar in eine psychische und physische Sucht mit totalem sozialen Absturz auf Pennerniveau führt. Dabei soll die Quote von süchtigen Schmerzpatienten außerordentlich niedrig sein. Wenn ich mich richtig erinnere, sind es nur ein paar Prozent und das ist extrem wenig, besonders im Gegensatz zu der allgemein vorherrschenden Meinung.
Es gibt noch einen weiteren, sehr wichtigen Grund, weswegen der Schmerzpatient nicht psychisch süchtig werden kann. Wer starke Schmerzen hat fokusiert nur die analgetischen Aspekte. Die anderen Wirkungen fallen völlig in den Hintergrund und werden somit, falls sie überhaupt jemals bemerkt werden, nicht wahrgenommen.
Zum anderen liegt es in der Natur dieser Stoffe, daß die psychoaktiven Wirkungen erst dann zum Tragen kommen, wenn der Mensch schon von Beginn an schmerzfrei ist. Es ist wie bei einer Treppe. Der Schmerzfreie fängt die Treppe bei der Stufe "schmerzfrei" an und steigt weiter zur Stufe "psychoaktive Wirkung". Der Schmerzpatient hingegen fängt die Treppe bei "Schmerzen" an und gelangt durch das Medikament zur Stufe "schmerzfrei" und bleibt dort stehen. Fast alle mir bekannten Schmerzpatienten kamen nie über die Stufe "schmerzfrei" hinaus und diejenigen, die mehr oder weniger in die nächste Stufe kamen, gelangten lediglich zu Beginn der Schmerztherapie dorthin und später nicht mehr.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, daß diese opioiden Schmerzmittel bzw. opioiden Hustenblocker (bei trockenem Reizhusten) nie auch nur ansatzweise zu einer Sucht geführt haben und das bereits seit mehr als fünf Jahren. Natürlich gibt es einige Dinge, die zu beachten sind, wie bei jeder anderen Sache auch, bei der man die Gebrauchsanleitung kennen muß. Anmaßend finde ich, daß behauptet wird, daß bereits wenige Anwendungen stark suchtbildend ist, denn das sagt ja nichts anderes, als das diese Substanz so unvergleichlich toll ist, daß es jeden, egal welches Alters, Niveaus und Charakters usw., zwingend in die Sucht führen muß. Daß es, ganz im Gegenteil, viele Menschen gibt, die dem überhaupt nichts abgewinnen können, scheint völlig unbekannt und unglaublich zu sein.
Der Schmerzpatient hat von vornherein die geringsten Risiken von Opiaten abhängig zu werden. Schockierend ist, daß das nicht einmal die Ärzte zu wissen scheinen. Die Logik ist denkbar einfach: Wo keine psychischen Nebenwirkungen gespürt werden, wird auch keine Sucht eintreten können. Es gibt, vor allem bei den niederpotenten Opiaten, die retardierte Form oder als transdermales Depotpflaster. Das bedeutet, daß der Wirkstoff langsam, aber gleichmäßig innerhalb von zwölf Stunden an den Körper abgegeben wird. Das macht man, um eine langandauernde analgetische Wirkung zu erzielen, damit der Patient klar im Kopf bleibt und seinem Beruf nachgehen kann, aber auch, um gerade der Sucht vorzubeugen. Bei den retardierten Tabletten ist es fast völlig ausgeschlossen, daß eine psychoaktive Wirkung wahrgenommen wird. Sollte eine seelische Wirkung tatsächlich bemerkt werden, dann kommt das ausschließlich bei Therapiebeginn vor. Nach wenigen Tagen hat sich diese Nebenwirkung von selbst erledigt. Selbst wenn es der Schmerzpatient noch so sehr wollen würde, er würde keine andere als die analgetische Wirkung spüren, einfach aus dem Grunde, weil die psychoaktiven Wirkungen die ersten sind, die sich bei einer Gewöhnung verabschieden. Ich rede nicht von einer Gewöhnung, bei der man unbedingt das Medikament täglich einnehmen muß. Nimmt man es täglich, dann läuft dieser Vorgang natürlich schneller ab, aber auch bei einer Tabletteneinnahme von ein Mal monatlich passiert das gleiche, auch dann, wenn das Präparat nicht retardiert ist. Ich rede selbstverständlich von einer therapeutischen Einnahme, bei der man nicht laufend die Dosis erhöht. Doch selbst bei Leuten, die täglich mehr einnehmen, ist eher über kurz als über lang Schluß mit psychoaktiven Nebenwirkungen.
Bei mir z.B. war das am Anfang so, daß ich in den ersten paar Malen eine psychische Wirkung wahrnahm, aber diese so lästig und unangenehm war, daß ich froh war, als es vorbei war. Ich fand es sehr nervig, mich nicht konzentrieren und nicht vernünftig arbeiten können und mich so merkwürdig gleichgültig meiner Umwelt gegenüber zu fühlen.
Ich habe in den fünf Jahren nie die Dosis eigenmächtig erhöht und nie die Schmerzmittel über mehrere Tage hinweg täglich eingenommen. Ich nehme sie nur dann, wenn ich es wirklich vor Schmerzen nicht mehr aushalte. Das funktioniert sehr gut und ich konnte jahrelang die Medikamente in der gleichen Stärke verwenden. Bei Bekannten und Freunden von mir, die auch solche Schmerzmittel verschrieben bekommen, ist es identisch. Ich kenne praktisch niemanden, der aufgrund seiner Schmerztherapie süchtig geworden ist. Das beweist mir, daß die Behauptungen von den stark suchtbildenden Opiaten, zumindest in therapeutischer Weise verwendet, falsch und irreführend sind. Die Patienten, die diese Schmerzmittel nicht kennen, machen sich in den allermeisten Fällen unnötig Sorgen. Natürlich gibt es auch Leute, die aufgrund von unerträglich starken Schmerzen ihre Medikamente täglich nehmen müssen, was dann durchaus beim plötzlichen Absetzen zu körperlichen Beschwerden führen kann. Allerdings wird das nicht so praktiziert. Wer von seinem Arzt über längere Zeit hinweg Schmerzmittel bekommt, dann aber nicht mehr braucht, wird auch langsam ausgeschlichen, indem die Dosis immer kleiner wird, bis man bei Null angelangt ist.
Entschuldigung, falls ich zu ausführlich geworden bin, doch es war mir wichtig, sowohl zu erklären, was ich mit Falschinformationen meinte, als auch einen sehr weit verbreiteten Irrtum auszumerzen.
Viele liebe Grüße