Hallo zusammen
Ich möchte gerne ein Erlebnis aus meiner Kindheit mit euch teilen, welches mich bis heute noch phasenweise beschäftigt. Ich muss leider etwas ausholen, damit man auch wirklich die ganze Geschichte versteht. Ich hoffe, dass meine Schreibweise nicht zu sehr kompliziert wirkt. Es ist so schwierig, etwas genau so zu erzählen, wie es sich zugetragen hat. Auf jeden Fall danke schon mal allen, die sich die Zeit nehmen, das alles hier zu lesen.
Ich war ca. 12 Jahre alt (1997/1998), als meine Eltern mit mir über die Schulferien hinweg nach Rotterdam in den Niederlanden gefahren sind, um die Schwester meiner Mutter und Cousinen und Cousins von mir zu besuchen. Wir waren schon öfters bei ihnen zu Besuch in den paar Jahren und auch an anderen Orten der Welt, da meine Verwandten sehr verstreut über alle Kontinente hinweg wohnen. Während unseres Besuchs in Rotterdam war alles ganz normal und wir fuhren dann irgendwann wieder zurück nach Hause in die Schweiz, weil ich wieder in die Schule musste. Meine Eltern waren zu dieser Zeit beide berufstätig, d.h. nach der Schule war ich immer ein paar Stunden allein, bis sie dann beide abends nach Hause gekommen sind.
Eine Woche nach unserem Besuch in Rotterdam ruft uns meine Tante an und erzählt uns, dass ihre älteste Tochter, meine Cousine, urplötzlich den Verstand verloren hat und von einem Tag auf den anderen sich absolut komisch verhält. Meine Mutter gab ihr den Rat, ihr Verhalten zu beobachten und evt. einen Arzt aufzusuchen. Ich dachte mir in meinen jungen Jahren nichts dabei, bis es eines Abends bei uns an der Haustüre geklingelt hat und die Polizei vor der Türe stand.
Ich war zu dem Zeitpunkt alleine zu Hause, da meine Eltern noch nicht aus der Arbeit zurückgekehrt sind. Die Polizei fragte dann selbstverständlich nach ihnen und hinterliessen eine Telefonnummer, wo sich meine Eltern dann bitte später unverzüglich darauf melden sollten. Ich hatte ein wenig Angst, wusste aber zu dem Zeitpunkt nicht, was passiert war. Die Polizei erzählt einem Kind natürlich auch nicht, worum es geht.
Nun meine Eltern kamen dann eine Stunde später endlich nach Hause und ich erzählte ihnen völlig aufgeregt sofort von der ganzen Sache. Sie haben dann auch gleich angerufen und hatten dann die Grenzpolizei am anderen Ende der Leitung. Diese erzählten meiner Mutter, dass sie eine junge Frau an der Grenze zur Schweiz aufgegriffen haben, die behauptet, dass sie ihre Mutter in Zürich besuchen möchte. Sie sei den ganzen Weg von Rotterdam nach Zürich ohne Geld, Bahnticket oder Reisetasche gereist. Wie auch immer sie das geschafft hat. Da sie meine Mutter explizit mit Namen und Adresse erwähnt hat, bat die Polizei meine Mutter, die Dame zu identifizieren und sich dann gegebenenfalls um sie zu kümmern. Meine Eltern sind noch am gleichen Abend zur Grenze Schweiz/Deutschland an den betroffenen Posten gefahren, um dann herauszufinden, dass es sich bei der jungen Frau um meine Cousine handelte, die mit dem merkwürdigen Verhalten. Was da alles sonst noch passiert ist, weiss ich nicht. Gegen Mitternacht kamen meine Eltern wieder nach Hause, zusammen mit ihr. Ich muss sagen, ich war zwar noch ein Kind, fast Teenie, aber meine Güte, hatte ich ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Ich wusste ja nicht, was überhaupt los war. Meine Eltern haben ihr das Gästezimmer eingerichtet und liessen sie dann erstmal schlafen. Am nächsten Tag hat meine Mutter gleich ihre Schwester in Rotterdam benachrichtigt, dass ihre Tochter, also die Nichte meiner Mutter irgendwie jetzt bei ihr gestrandet sei und dass sie ihr doch bitte mal erzählen soll, was bei ihnen zu Hause in Rotterdam vorgefallen ist (hatten sie Streit, gab es Auseinandersetzungen etc.).
Meine Tante war ausser sich, sie erzählte am Telefon völlig aufgelöst, dass bei ihnen zu Hause die Dinge plötzlich so ausser Kontrolle geraten sind, dass sie die Tochter in eine ambulante Psychiatrie/Klinik untergebracht haben, damit sich ein Psychiater/Psychologe mit ihrem merkwürdigen Verhalten auseinandersetzen und vielleicht herausfinden kann, was mit ihr los ist. Anscheinend ist sie aus dieser Klinik dann nachts ausgebrochen, abgehauen und ohne Hab und Gut irgendwie in die Schweiz gereist.
Meine Eltern, so lieb wie sie halt sind, versuchten mit meiner Cousine offen und möglichst vertraut über die Geschehnisse zu reden. Gleichzeitig bescherten sie ihr einen angenehmen Aufenthalt in Zürich, unternahmen Ausflüge mit ihr und nahmen sich einfach die Zeit für sie, damit es ihr besser geht. Wir gingen alle von einer Art Depression aus. Wir bemerkten aber alle, dass meine Cousine die ganze Zeit "Mama" zu meiner Mutter, also ihre Tante eigentlich, sagte und meine Mutter belächelte das dann halt immer, während es mich schon bald einmal aufregte. Sie war nicht so, wie ich sie sonst kannte, sie war einfach anders. Ich weiss nicht mal, wie ich das beschreiben soll, mir kam sie sehr schnell geistesgestört vor und ich war regelrecht froh, dass ich tagsüber in der Schule war und nicht auch noch Zeit mit ihr zu Hause verbringen musste. Ich weiss nicht, wie viele Wochen vergangen sind, aber es war glaube ich gerade Osterzeit und ich hatte ein paar Tage schulfrei, als meine Eltern beschliessen, dass wir meine Cousine nun zurück nach Rotterdam fahren. Ich war so unendlich froh, dass wir sie nun zurückbringen und wir dann wieder unser normales Familienleben fortführen können. Da ich ein Einzelkind bin, hatten meine Eltern keine andere Wahl, als mich mitzunehmen. Die ganze Fahrt über, diese acht, neun, zehn, wieviele auch immer Stunden kamen mir so ewig lang vor und es war sowas von unangenehm, die ganze Zeit neben meiner gestörten Cousine hinten auf dem Rücksitz zu sitzen, zumal sie mit mir in all den Wochen kein einziges Wort geredet hat, auch nicht während der Fahrt. Sie redete einzig und allein mit meiner Mutter und erzählte immer von Sachen, die nur meine Mutter und sie zusammen erlebt haben sollen, was sich aber definitiv in keinsterweise jemals zugetragen hat. Ach das ganze war doch einfach nur Schwachsinn und meine Nerven lagen da schon als Kind blank.
Endlich in Rotterdam angekommen, nahm auch schon das erste Drama vor dem Haus meiner Tante ihren Lauf. Meine Cousine weigerte sich, aus dem Auto auszusteigen und in ihr Zuhause zurückzukehren. Das ging so weit, dass ihr Bruder und ihr Vater sie mit Gewalt aus dem Auto herausholen und ins Haus tragen mussten. Sie verschwand dann sofort in ihr Zimmer, während wir alle erschöpft uns im Wohnzimmer versammelten. Meine Mutter berichtete ihrer Schwester von dem merkwürdigen Verhalten, was wir auch in der Schweiz beobachten konnten. Meine Tante erzählte daraufhin, dass sie während dieser Zeit, das Zimmer ihrer Tochter aufgeräumt hat und dabei einen riesigen Schreck gekriegt hat, weil das Zimmer in einem völlig makaberen Zustand war. Das Zimmer war nicht sehr gross, aber anscheinend lag der Stuhl zum Schreibtisch auf dem Schreibtisch und an den Wänden waren überall rote Kritzeleien oder Zeichnungen. Man kann sagen, dass etwa genau ab hier der Horror (für mich der psychische Horror, ich war schliesslich noch ein Kind) begann. Da sie medizinische Krankheiten bei ihr ausschliessen konnten, gingen die Psychiater/Psychologen/Ärzte von einer psychischen Belastungsstörung oder irgendwie sowas aus. Zurück zum Zimmer, da war die Atmosphäre schon ziemlich gruselig. Meine Cousine fing dann auch irgendwann an in ihrem Zimmer laut zu lachen oder zu reden, während wir alle im Wohnzimmer waren. Ich hatte langsam wirklich Angst und bat meine Eltern darum, die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Noch eine Nacht würde ich nicht mehr mit der gestörten Cousine im gleichen Haushalt aushalten. Meine Eltern schienen den Ernst der Lage immer noch nicht kapiert zu haben und so kam es dann auch dazu, dass wir eine Nacht dort im Gästezimmer verbringen mussten.
Am nächsten Tag weiss ich nur noch, dass es an der Tür geklingelt hat, ein fremder Mann reinkam und sich mit meiner Tante, deren Kinder und meinen Eltern ins Wohnzimmer setzte. Ich hatte mich den ganzen Tag schon im Gästezimmer verkrochen, weil ich einfach nur noch Angst hatte. Gestörte Cousine war immer noch in ihrem Zimmer und hat dieses nicht mal zum Essen oder für einen Badbesuch verlassen. Da ich nicht alleine in der Nähe dieses Zimmers bleiben wollte, huschte ich ins Wohnzimmer, um mich neben meinen Eltern zu setzen. Ich glaube der Typ hatte allem Anschein nach irgendwas mit spirituellen Sachen zu tun. Mitten im Gespräch mit ihm platzte die Cousine ins Wohnzimmer und setze sich auf einen Stuhl. Sie schaute uns alle, einen nach dem anderen, merkwürdig grinsend an. Der Spiri-Typ stellte ihr ein paar Fragen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, um was es da ging, aber ich horchte schlagartig auf, als Cousine plötzlich die Aussage machte, dass sie jetzt doch bitte gerne wieder mit ihrer Mutter in die Schweiz zurückreisen möchte und dass sie mich dabei ruhig hier lassen sollen, da ich nicht das Kind meiner Mutter sei und nicht zur Familie dazugehöre. Ich hatte totale Panik, ich verstand ihre Aussage nicht und erlebte meine Mutter dann, wie sie dann das ganze nicht mehr nur belächelte, sondern ihr eindeutig klar machte, dass sie doch bitte mit diesem Schwachsinn aufhören soll, natürlich sei ich ihr Kind, ihr einziges Kind, und dass sie doch bitte mit ihrer eigenen Mutter versuchen soll zu reden, um Probleme aus der Welt zu schaffen. Dann haute sie irgendwann wieder plötzlich in ihr Zimmer ab. Jedenfalls schlug der Spiri-Typ vor, irgendwas zu machen. Er behauptete, er spüre eine sehr dunkle und böse Energie, die aus dem Zimmer meiner Cousine komme. Er würde versuchen, das, was auch immer es in seinen Augen war, mit einem Ritual zu vertreiben. Er bat uns aber darum, dass sie ihn alle machen lassen sollen und dass es extrem wichtig ist, dass keiner von uns bei diesem Ritual anwesend sein darf, ausser er selber. Alles was er benötigte war ein bisschen Wasser, was er in eine kleine Schale füllte. Die Schale hat er selber mitgenommen. Danach mussten wir alle raus und ihm etwas Zeit geben für sein Ritual. Anscheinend hat keiner bemerkt, dass ich mich währenddessen ins Gästezimmer verkrochen habe und durch die offene Zimmertür alles sehen konnte, was der Typ gemacht hat. Ich hatte mich unter einem Berg von Bettwäsche und Kissen am Boden praktisch unsichtbar gemacht und hatte die perfekte Sicht auf den offenen Flur. Das Zimmer meiner Cousine befand sich auf der linken Seite vom Gästezimmer aus gesehen.
Ich konnte es einfach nicht lassen und schaute dem Mann heimlich bei seiner Arbeit zu. Er positionierte sich mit der wassergefüllten Schale in seinen Händen vor der geschlossenen Zimmertür meiner Cousine und fing an irgendwelche komischen Sachen zu sagen. Es war definitiv keine bekannte oder vertraute Sprache, es hörte sich sehr merkwürdig an. Ich schaute einfach zu und war erstarrt vor Angst, versteckt hinter meinen Kissen. Kurze Zeit später sah ich, wie die Wasserschale mit voller Wucht irgendwo in den Raum geflogen ist, zusammen mit dem ganzen Wasser darin, gleichzeitig fing Cousine in ihrem Zimmer an zu schreien. Er selbst hat seine Hände aber in keinsterweise bewegt. Zudem haben sich seine Haare bewegt, als hätte es einen Windstoss im Flur gegeben. Als die Schale weggeflogen ist, kippte er leicht mit seinem Körper nach hinten, als würde man jemanden ganz leicht schubsen. Es war unheimlich, ich erstarrte fast vor Angst und wusste nicht, was da gerade passiert. Nach dieser erschreckenden Aktion erzählte ich das meiner Mutter und diese sagte mir, ich soll mir keine Sorgen machen, der Typ sei ein Schamane und dass ich das ganze nicht ernst nehmen soll. Das sei nur, damit meine Tante sich etwas besser fühlt. Gut, dann frage ich mich aber, wieso sie dann das ganze TamTam organisiert haben.
Wir sind dann am nächsten Tag wieder zurück nach Hause gefahren. Danach war lange Ruhe, bis dann meine Tante wieder angerufen hat und meiner Mutter erzählt hat, dass die Cousine danach in eine geschlossene Anstalt kam, weil ihr Verhalten sehr aggressiv wurde gegenüber ihrer Familie und sie sich und sie schützen mussten. Ich hoffte einfach nur jeden Tag, dass nicht wieder die Polizei vor unserer Haustüre steht und sagt, dass Cousine wieder in der Schweiz gelandet ist. Mehr Details kenne ich leider nicht, nur dass Cousine nach ein paar Monaten wieder normal wurde, dass der Spiri-Typ noch ein paar weitere Male dort war und auch nicht mehr meine Mutter zu ihrer Mutter gemacht hat.
Dass ich so etwas erlebt habe, macht mir ganz schön zu schaffen. Ich habe es danach einfach jahrelang verdrängt und nicht mehr darüber nachgedacht. Wir haben unsere Verwandten dort auch nie mehr wieder besucht.
Erst nachdem ich in den letzten 10-15 Jahren durch Filme, Medien, Dokus und Beiträge im Internet mit ähnlichen Sachen konfrontiert wurde, fing ich wieder an mir meine Gedanken darüber zu machen. Eine Frage, die mich beschäftigt ist, ob es grundsätzlich falsch war, dass ich bei diesem Ritual zugeschaut habe. Denn es war ja verboten, ihm dabei zuzuschauen. Hätte dadurch irgendetwas passieren können? Kann es sein, dass meine Anwesenheit beim Ritual Auswirkungen auf mein Leben genommen hat?
Mein Leben verlief danach leider nicht mehr so toll. Ich wurde mit 16 depressiv, versuchte mir mit 18 das Leben zu nehmen und war danach 10 Jahre in regelmässiger Psychotherapie, damit ich irgendwie mit meinem Leben klar komme. Bis heute leide ich noch unter starken Panikattacken, die einfach so auftauchen. Auch die Depression ist noch tief in meiner Psyche verankert. Ich habe eigentlich keine besonderen Gründe dafür, habe ganz normale Höhen und Tiefen und Schicksale erlebt, wie andere Menschen auch, trotzdem fühle ich mich von allem und jedem manchmal erdrückt, so dass mir die Luft zum Atmen fehlt. Ich denke mir dann immer ganz banal manchmal, ob ich durch meine Anwesenheit beim Ritual auf irgendeine Art verflucht wurde oder ob es tatsächlich einfach nur eine psychische Erkrankung ist. Mir ist absolut klar, dass psychische Erkrankungen existieren und viele das gleiche durchmachen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich verflucht wurde oder irgendetwas auf mir lastet, dass ich nicht mehr loswerde.
Es hat verdammt gut getan, dieses Erlebnis mal nach all den Jahren einfach mal aufzuschreiben, ich habe bisher nur guten Freunden davon erzählt und die halten das alles für Humbug, verständlicherweise. Plötzlich hat mich das ganze wieder so beschäftigt, dass es dazu nun gekommen ist, dass ich hier im Forum wieder mal etwas poste. Phu, das wars dann mal. Jeder der sich die Mühe macht, das hier zu lesen, dem danke ich von ganzem Herzen.
Selbstverständlich würde ich mich jederzeit über ähnliche Berichte und Erlebnisse oder einfach nur Gedanken von euch freuen. Danke euch!
Ganz liebe Grüsse
Ich möchte gerne ein Erlebnis aus meiner Kindheit mit euch teilen, welches mich bis heute noch phasenweise beschäftigt. Ich muss leider etwas ausholen, damit man auch wirklich die ganze Geschichte versteht. Ich hoffe, dass meine Schreibweise nicht zu sehr kompliziert wirkt. Es ist so schwierig, etwas genau so zu erzählen, wie es sich zugetragen hat. Auf jeden Fall danke schon mal allen, die sich die Zeit nehmen, das alles hier zu lesen.
Ich war ca. 12 Jahre alt (1997/1998), als meine Eltern mit mir über die Schulferien hinweg nach Rotterdam in den Niederlanden gefahren sind, um die Schwester meiner Mutter und Cousinen und Cousins von mir zu besuchen. Wir waren schon öfters bei ihnen zu Besuch in den paar Jahren und auch an anderen Orten der Welt, da meine Verwandten sehr verstreut über alle Kontinente hinweg wohnen. Während unseres Besuchs in Rotterdam war alles ganz normal und wir fuhren dann irgendwann wieder zurück nach Hause in die Schweiz, weil ich wieder in die Schule musste. Meine Eltern waren zu dieser Zeit beide berufstätig, d.h. nach der Schule war ich immer ein paar Stunden allein, bis sie dann beide abends nach Hause gekommen sind.
Eine Woche nach unserem Besuch in Rotterdam ruft uns meine Tante an und erzählt uns, dass ihre älteste Tochter, meine Cousine, urplötzlich den Verstand verloren hat und von einem Tag auf den anderen sich absolut komisch verhält. Meine Mutter gab ihr den Rat, ihr Verhalten zu beobachten und evt. einen Arzt aufzusuchen. Ich dachte mir in meinen jungen Jahren nichts dabei, bis es eines Abends bei uns an der Haustüre geklingelt hat und die Polizei vor der Türe stand.
Ich war zu dem Zeitpunkt alleine zu Hause, da meine Eltern noch nicht aus der Arbeit zurückgekehrt sind. Die Polizei fragte dann selbstverständlich nach ihnen und hinterliessen eine Telefonnummer, wo sich meine Eltern dann bitte später unverzüglich darauf melden sollten. Ich hatte ein wenig Angst, wusste aber zu dem Zeitpunkt nicht, was passiert war. Die Polizei erzählt einem Kind natürlich auch nicht, worum es geht.
Nun meine Eltern kamen dann eine Stunde später endlich nach Hause und ich erzählte ihnen völlig aufgeregt sofort von der ganzen Sache. Sie haben dann auch gleich angerufen und hatten dann die Grenzpolizei am anderen Ende der Leitung. Diese erzählten meiner Mutter, dass sie eine junge Frau an der Grenze zur Schweiz aufgegriffen haben, die behauptet, dass sie ihre Mutter in Zürich besuchen möchte. Sie sei den ganzen Weg von Rotterdam nach Zürich ohne Geld, Bahnticket oder Reisetasche gereist. Wie auch immer sie das geschafft hat. Da sie meine Mutter explizit mit Namen und Adresse erwähnt hat, bat die Polizei meine Mutter, die Dame zu identifizieren und sich dann gegebenenfalls um sie zu kümmern. Meine Eltern sind noch am gleichen Abend zur Grenze Schweiz/Deutschland an den betroffenen Posten gefahren, um dann herauszufinden, dass es sich bei der jungen Frau um meine Cousine handelte, die mit dem merkwürdigen Verhalten. Was da alles sonst noch passiert ist, weiss ich nicht. Gegen Mitternacht kamen meine Eltern wieder nach Hause, zusammen mit ihr. Ich muss sagen, ich war zwar noch ein Kind, fast Teenie, aber meine Güte, hatte ich ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Ich wusste ja nicht, was überhaupt los war. Meine Eltern haben ihr das Gästezimmer eingerichtet und liessen sie dann erstmal schlafen. Am nächsten Tag hat meine Mutter gleich ihre Schwester in Rotterdam benachrichtigt, dass ihre Tochter, also die Nichte meiner Mutter irgendwie jetzt bei ihr gestrandet sei und dass sie ihr doch bitte mal erzählen soll, was bei ihnen zu Hause in Rotterdam vorgefallen ist (hatten sie Streit, gab es Auseinandersetzungen etc.).
Meine Tante war ausser sich, sie erzählte am Telefon völlig aufgelöst, dass bei ihnen zu Hause die Dinge plötzlich so ausser Kontrolle geraten sind, dass sie die Tochter in eine ambulante Psychiatrie/Klinik untergebracht haben, damit sich ein Psychiater/Psychologe mit ihrem merkwürdigen Verhalten auseinandersetzen und vielleicht herausfinden kann, was mit ihr los ist. Anscheinend ist sie aus dieser Klinik dann nachts ausgebrochen, abgehauen und ohne Hab und Gut irgendwie in die Schweiz gereist.
Meine Eltern, so lieb wie sie halt sind, versuchten mit meiner Cousine offen und möglichst vertraut über die Geschehnisse zu reden. Gleichzeitig bescherten sie ihr einen angenehmen Aufenthalt in Zürich, unternahmen Ausflüge mit ihr und nahmen sich einfach die Zeit für sie, damit es ihr besser geht. Wir gingen alle von einer Art Depression aus. Wir bemerkten aber alle, dass meine Cousine die ganze Zeit "Mama" zu meiner Mutter, also ihre Tante eigentlich, sagte und meine Mutter belächelte das dann halt immer, während es mich schon bald einmal aufregte. Sie war nicht so, wie ich sie sonst kannte, sie war einfach anders. Ich weiss nicht mal, wie ich das beschreiben soll, mir kam sie sehr schnell geistesgestört vor und ich war regelrecht froh, dass ich tagsüber in der Schule war und nicht auch noch Zeit mit ihr zu Hause verbringen musste. Ich weiss nicht, wie viele Wochen vergangen sind, aber es war glaube ich gerade Osterzeit und ich hatte ein paar Tage schulfrei, als meine Eltern beschliessen, dass wir meine Cousine nun zurück nach Rotterdam fahren. Ich war so unendlich froh, dass wir sie nun zurückbringen und wir dann wieder unser normales Familienleben fortführen können. Da ich ein Einzelkind bin, hatten meine Eltern keine andere Wahl, als mich mitzunehmen. Die ganze Fahrt über, diese acht, neun, zehn, wieviele auch immer Stunden kamen mir so ewig lang vor und es war sowas von unangenehm, die ganze Zeit neben meiner gestörten Cousine hinten auf dem Rücksitz zu sitzen, zumal sie mit mir in all den Wochen kein einziges Wort geredet hat, auch nicht während der Fahrt. Sie redete einzig und allein mit meiner Mutter und erzählte immer von Sachen, die nur meine Mutter und sie zusammen erlebt haben sollen, was sich aber definitiv in keinsterweise jemals zugetragen hat. Ach das ganze war doch einfach nur Schwachsinn und meine Nerven lagen da schon als Kind blank.
Endlich in Rotterdam angekommen, nahm auch schon das erste Drama vor dem Haus meiner Tante ihren Lauf. Meine Cousine weigerte sich, aus dem Auto auszusteigen und in ihr Zuhause zurückzukehren. Das ging so weit, dass ihr Bruder und ihr Vater sie mit Gewalt aus dem Auto herausholen und ins Haus tragen mussten. Sie verschwand dann sofort in ihr Zimmer, während wir alle erschöpft uns im Wohnzimmer versammelten. Meine Mutter berichtete ihrer Schwester von dem merkwürdigen Verhalten, was wir auch in der Schweiz beobachten konnten. Meine Tante erzählte daraufhin, dass sie während dieser Zeit, das Zimmer ihrer Tochter aufgeräumt hat und dabei einen riesigen Schreck gekriegt hat, weil das Zimmer in einem völlig makaberen Zustand war. Das Zimmer war nicht sehr gross, aber anscheinend lag der Stuhl zum Schreibtisch auf dem Schreibtisch und an den Wänden waren überall rote Kritzeleien oder Zeichnungen. Man kann sagen, dass etwa genau ab hier der Horror (für mich der psychische Horror, ich war schliesslich noch ein Kind) begann. Da sie medizinische Krankheiten bei ihr ausschliessen konnten, gingen die Psychiater/Psychologen/Ärzte von einer psychischen Belastungsstörung oder irgendwie sowas aus. Zurück zum Zimmer, da war die Atmosphäre schon ziemlich gruselig. Meine Cousine fing dann auch irgendwann an in ihrem Zimmer laut zu lachen oder zu reden, während wir alle im Wohnzimmer waren. Ich hatte langsam wirklich Angst und bat meine Eltern darum, die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Noch eine Nacht würde ich nicht mehr mit der gestörten Cousine im gleichen Haushalt aushalten. Meine Eltern schienen den Ernst der Lage immer noch nicht kapiert zu haben und so kam es dann auch dazu, dass wir eine Nacht dort im Gästezimmer verbringen mussten.
Am nächsten Tag weiss ich nur noch, dass es an der Tür geklingelt hat, ein fremder Mann reinkam und sich mit meiner Tante, deren Kinder und meinen Eltern ins Wohnzimmer setzte. Ich hatte mich den ganzen Tag schon im Gästezimmer verkrochen, weil ich einfach nur noch Angst hatte. Gestörte Cousine war immer noch in ihrem Zimmer und hat dieses nicht mal zum Essen oder für einen Badbesuch verlassen. Da ich nicht alleine in der Nähe dieses Zimmers bleiben wollte, huschte ich ins Wohnzimmer, um mich neben meinen Eltern zu setzen. Ich glaube der Typ hatte allem Anschein nach irgendwas mit spirituellen Sachen zu tun. Mitten im Gespräch mit ihm platzte die Cousine ins Wohnzimmer und setze sich auf einen Stuhl. Sie schaute uns alle, einen nach dem anderen, merkwürdig grinsend an. Der Spiri-Typ stellte ihr ein paar Fragen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, um was es da ging, aber ich horchte schlagartig auf, als Cousine plötzlich die Aussage machte, dass sie jetzt doch bitte gerne wieder mit ihrer Mutter in die Schweiz zurückreisen möchte und dass sie mich dabei ruhig hier lassen sollen, da ich nicht das Kind meiner Mutter sei und nicht zur Familie dazugehöre. Ich hatte totale Panik, ich verstand ihre Aussage nicht und erlebte meine Mutter dann, wie sie dann das ganze nicht mehr nur belächelte, sondern ihr eindeutig klar machte, dass sie doch bitte mit diesem Schwachsinn aufhören soll, natürlich sei ich ihr Kind, ihr einziges Kind, und dass sie doch bitte mit ihrer eigenen Mutter versuchen soll zu reden, um Probleme aus der Welt zu schaffen. Dann haute sie irgendwann wieder plötzlich in ihr Zimmer ab. Jedenfalls schlug der Spiri-Typ vor, irgendwas zu machen. Er behauptete, er spüre eine sehr dunkle und böse Energie, die aus dem Zimmer meiner Cousine komme. Er würde versuchen, das, was auch immer es in seinen Augen war, mit einem Ritual zu vertreiben. Er bat uns aber darum, dass sie ihn alle machen lassen sollen und dass es extrem wichtig ist, dass keiner von uns bei diesem Ritual anwesend sein darf, ausser er selber. Alles was er benötigte war ein bisschen Wasser, was er in eine kleine Schale füllte. Die Schale hat er selber mitgenommen. Danach mussten wir alle raus und ihm etwas Zeit geben für sein Ritual. Anscheinend hat keiner bemerkt, dass ich mich währenddessen ins Gästezimmer verkrochen habe und durch die offene Zimmertür alles sehen konnte, was der Typ gemacht hat. Ich hatte mich unter einem Berg von Bettwäsche und Kissen am Boden praktisch unsichtbar gemacht und hatte die perfekte Sicht auf den offenen Flur. Das Zimmer meiner Cousine befand sich auf der linken Seite vom Gästezimmer aus gesehen.
Ich konnte es einfach nicht lassen und schaute dem Mann heimlich bei seiner Arbeit zu. Er positionierte sich mit der wassergefüllten Schale in seinen Händen vor der geschlossenen Zimmertür meiner Cousine und fing an irgendwelche komischen Sachen zu sagen. Es war definitiv keine bekannte oder vertraute Sprache, es hörte sich sehr merkwürdig an. Ich schaute einfach zu und war erstarrt vor Angst, versteckt hinter meinen Kissen. Kurze Zeit später sah ich, wie die Wasserschale mit voller Wucht irgendwo in den Raum geflogen ist, zusammen mit dem ganzen Wasser darin, gleichzeitig fing Cousine in ihrem Zimmer an zu schreien. Er selbst hat seine Hände aber in keinsterweise bewegt. Zudem haben sich seine Haare bewegt, als hätte es einen Windstoss im Flur gegeben. Als die Schale weggeflogen ist, kippte er leicht mit seinem Körper nach hinten, als würde man jemanden ganz leicht schubsen. Es war unheimlich, ich erstarrte fast vor Angst und wusste nicht, was da gerade passiert. Nach dieser erschreckenden Aktion erzählte ich das meiner Mutter und diese sagte mir, ich soll mir keine Sorgen machen, der Typ sei ein Schamane und dass ich das ganze nicht ernst nehmen soll. Das sei nur, damit meine Tante sich etwas besser fühlt. Gut, dann frage ich mich aber, wieso sie dann das ganze TamTam organisiert haben.
Wir sind dann am nächsten Tag wieder zurück nach Hause gefahren. Danach war lange Ruhe, bis dann meine Tante wieder angerufen hat und meiner Mutter erzählt hat, dass die Cousine danach in eine geschlossene Anstalt kam, weil ihr Verhalten sehr aggressiv wurde gegenüber ihrer Familie und sie sich und sie schützen mussten. Ich hoffte einfach nur jeden Tag, dass nicht wieder die Polizei vor unserer Haustüre steht und sagt, dass Cousine wieder in der Schweiz gelandet ist. Mehr Details kenne ich leider nicht, nur dass Cousine nach ein paar Monaten wieder normal wurde, dass der Spiri-Typ noch ein paar weitere Male dort war und auch nicht mehr meine Mutter zu ihrer Mutter gemacht hat.
Dass ich so etwas erlebt habe, macht mir ganz schön zu schaffen. Ich habe es danach einfach jahrelang verdrängt und nicht mehr darüber nachgedacht. Wir haben unsere Verwandten dort auch nie mehr wieder besucht.
Erst nachdem ich in den letzten 10-15 Jahren durch Filme, Medien, Dokus und Beiträge im Internet mit ähnlichen Sachen konfrontiert wurde, fing ich wieder an mir meine Gedanken darüber zu machen. Eine Frage, die mich beschäftigt ist, ob es grundsätzlich falsch war, dass ich bei diesem Ritual zugeschaut habe. Denn es war ja verboten, ihm dabei zuzuschauen. Hätte dadurch irgendetwas passieren können? Kann es sein, dass meine Anwesenheit beim Ritual Auswirkungen auf mein Leben genommen hat?
Mein Leben verlief danach leider nicht mehr so toll. Ich wurde mit 16 depressiv, versuchte mir mit 18 das Leben zu nehmen und war danach 10 Jahre in regelmässiger Psychotherapie, damit ich irgendwie mit meinem Leben klar komme. Bis heute leide ich noch unter starken Panikattacken, die einfach so auftauchen. Auch die Depression ist noch tief in meiner Psyche verankert. Ich habe eigentlich keine besonderen Gründe dafür, habe ganz normale Höhen und Tiefen und Schicksale erlebt, wie andere Menschen auch, trotzdem fühle ich mich von allem und jedem manchmal erdrückt, so dass mir die Luft zum Atmen fehlt. Ich denke mir dann immer ganz banal manchmal, ob ich durch meine Anwesenheit beim Ritual auf irgendeine Art verflucht wurde oder ob es tatsächlich einfach nur eine psychische Erkrankung ist. Mir ist absolut klar, dass psychische Erkrankungen existieren und viele das gleiche durchmachen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich verflucht wurde oder irgendetwas auf mir lastet, dass ich nicht mehr loswerde.
Es hat verdammt gut getan, dieses Erlebnis mal nach all den Jahren einfach mal aufzuschreiben, ich habe bisher nur guten Freunden davon erzählt und die halten das alles für Humbug, verständlicherweise. Plötzlich hat mich das ganze wieder so beschäftigt, dass es dazu nun gekommen ist, dass ich hier im Forum wieder mal etwas poste. Phu, das wars dann mal. Jeder der sich die Mühe macht, das hier zu lesen, dem danke ich von ganzem Herzen.
Selbstverständlich würde ich mich jederzeit über ähnliche Berichte und Erlebnisse oder einfach nur Gedanken von euch freuen. Danke euch!
Ganz liebe Grüsse