Diese Geheimabsprachen sind üblich. Staatsmänner wie Genscher werden also nicht "einfach so" solcherlei Äußerungen getätigt haben, sondern man darf davon ausgehen, dass sie um die kollektive Richtung ihrer Amtskollegen wussten.
Insofern stimme ich dir schon bei diesem Basispunkt nicht zu: Ich glaube, dass es solcherlei Absprachen mit den Russen damals gab (und dass diese später einseitig von der amerikanischen Seite nach und nach gebrochen wurden
Das Problem an deiner Argumentation ist aber, dass sie völlig beliebig ist, weil sie nur auf Spekulationen basiert. Du gehst davon aus, dass die Staatsmänner bestimmte Aussagen getätigt haben, weil es eine "kollektive Richtung" oder eine "Geheimabsprache" gab. Du gehst davon aus, dass man den Russen etwas völkerrechtlich zugesichert hat (mündlicher Vertrag), und dass die USA (natürlich müssen es die USA sein) diese nach und nach brachen. Nichts davon basiert auf Fakten, für dich ist es eine Glaubensfrage. Damit versuchst du, deine subjektiven Ansichten zu verobjektivieren. Das ist nicht zielführend.
Fakt ist, dass keiner der genannten Staatsführer rechtsverbindliche Zusagen hinsichtlich der NATO-Politik machen konnte, selbst ein US-Präsident oder NATO-Generalsekretär nicht. Fakt ist auch, dass es keine rechtsgültigen Verträge, schriftlich oder dokumentiert mündlich gibt, die öffentlich bekannt wären. Auch Putin, der ja eine solche Darstellung pflegt, hat dazu keinerlei konkreten Beweise gegeben, dass es entsprechende geheime Absprachen geben könnte. Fakt ist ebenfalls, dass wie von mir dargestellt mit der NATO-Russland-Grundakte ein rechtsverbindlicher Vertrag abgeschlossen wurde, der auch von russischer Seite jedem Staat die Souveränität hinsichtlich der eigenen Sicherheitspolitik zugestand.
Und das ist ein entscheidender Punkt, denn völkerrechtliche Verträge genauso wie alle anderen Verträge auch können im Einvernehmen aufgehoben oder verändert werden. Selbst wenn wir also deine Annahmen als gegeben betrachten, hat die NATO hinsichtlich einer Erweiterung über Ostdeutschland hinaus keine Absprachen gebrochen. Die NATO-Osterweiterung fand erst statt nachdem die NATO-Russland-Grundakte gemeinsam mit Russland beschlossen wurde, die Pläne zur Erweiterung wurden dabei nicht verheimlicht, sondern waren expliziter Bestandteil und führten sogar zu Einschränkungen hinsichtlich der Dislozierung, der Russland explizit zugestimmt hat.
Von daher ist deine ganze Argumentation irrelevant, weil die Absprachen nichts an der Situation änderten. Gab es sie nicht, dann wurde das Verhältnis zwischen NATO und Russland mit der Grundakte von 1997 definiert, gab es sie, dann wurde das Verhältnis umdefiniert. In beiden Fällen kommt es zum gleichen Resultat, die NATO hat gegen keinen Vertrag und kein (vermeintliches) Versprechen verstoßen, Russland hat allen Entwicklungen eigenverantwortlich, ohne Druck aber mit Zugeständnissen zugestimmt.
Und ohne dir zu Nahe treten zu wollen, aber diese Diskussionen habe ich inzwischen etliche Male geführt, und ich kann nur immer wieder betonen, dass Völkerrecht, Geo- und Sicherheitspolitik nichts ist, was man sich mal eben schnell anlesen kann. Es geht da nie um irgendwelche selektive Einzelereignisse, sondern immer um den Gesamtkontext mit allen Entscheidungen, Verträgen und Entwicklungen.
Ich glaub sogar, dass man Putin sein lebenlang nicht provoziert hat, damit "Frieden" herrscht.
Das kann ich so nicht bestätigen. Tatsächlich ist es so, dass sich mit dem Untergang der Sowjetunion und den turbulenten Zeiten Russlands die Machtverhältnisse sehr deutlich gewandelt haben, was auch dazu führte, dass der Westen eine dominantere Rolle einnahm. Etwas ähnliches, was wir durch die Wiedervereinigung innerdeutsch erlebt haben passierte damals auch international, beides hätte man zum langfristigen Wohl anders handhaben müssen. Andererseits solle man sich auch vor Verklärungen hüten.