Diese Melodramatik ist völlig unnötig, und die latenten Vorwürfe zwar nicht neu, aber dennoch unangemessen. Es geht nicht darum, die Wirtschaft über Menschenleben zu stellen (zumindest gehe ich davon aus, dass du dich einfach nur verschrieben hast), sondern nicht nur die Perspektive der Epidemiologen und Intensivmediziner zu berücksichtigen wenn es darum geht, was tatsächlich Menschenleben rettet und gefährdet. All unsere Sozialsysteme inklusive der Gesundheitsversorgung sind auf der Wirtschaftsleistung aufgebaut und von dieser abhängig, jede Veränderung des öffentlichen Lebens wirkt sich auch auf das private Leben aus, und das wiederum hat gesundheitliche Konsequenzen bis hin zum Tod. Unsere Kinder haben jetzt durch das ständige hin und her mehr oder weniger ein Jahr in ihrer Entwicklung verloren, die langfristigen Auswirkungen davon wurden meines Wissens nach in keiner Studie berücksichtigt (Referenzfälle zur Untersuchung sollte es aus anderen Gründen wohl zur Genüge geben). Gleichzeitig melden Pflege- und Sozialträger, dass ein wirtschaftlicher Lockdown die hochvulnerablen Personen in den entsprechenden Einrichtungen und insbesondere bei der Betreuung zu Hause nicht erreicht, weil sich diese quasi mit wenigen Unterbrechungen seit einem Jahr in Quarantäne befinden und die letzten verbliebenen Kontakte nicht vermeidbar sind. Wieso wird sich an allgemeine Inzidenzwerte geklammert, die rein gar nichts über die jeweilige Infektionssituation vor Ort aussagen, was auch von den Epidemiologen bestätigt wird, die sich intensiver mit den vulnerablen Gruppen beschäftigt haben?
Im Zweifel sind es dann "die Menschen", die nicht von ihren "egoistischen Idealen" wegkommen und nicht bereit sind für "Veränderungen", also wieder alle über einen Kamm scheren weil einige meinen, sich über alles hinweg setzen zu müssen und damit durchkommen, weil niemand bereit ist, ernsthaft und konsequent durchzugreifen.
Welchen Sinn hat es denn, uns ständig die Bilder von vermeintlich überfüllten Wiesen zu zeigen, auf denen sich bei gutem Wetter die Leute tummeln, wenn es weder belastbare Studien dazu gibt, wie hoch das Ansteckungsrisiko unter solchen Bedingungen tatsächlich ist, noch die Legislative und Exekutive bereit sind im Zweifelsfall Strafzettel zu verteilen (vielleicht sogar wohlwissend, dass diese vor Gericht wieder kassiert werden würden, weil die Grundlage dafür fehlt)?
Wenn es wirklich darum geht, Menschlichkeit zu bewahren und Menschenleben nicht nur kurz-, sondern auch langfristig zu retten, braucht es ein Konzept, dass all diese Faktoren berücksichtigt und die notwendigen Änderungen dafür auch systemseitig unterstützt. Und wenn dann dazu auch ein Lockdown gehört, dann ergibt ein solcher Sinn.