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400 000 Jahre alte Skulptur entdeckt
Fund aus Marokko - Von der Natur "vorgearbeitete" Form von Menschen gestaltet
von Ulli Kulke
Melbourne - Früher als bislang angenommen hatte der Mensch offenbar Zeit und Muße für die schönen Künste. Vor 400 000 Jahren schon trieb er, damals noch als Homo erectus, Steinmeißel in einen Sandstein, nur um sich hinterher an einer kleinen Skulptur zu ergötzen. Das behauptet Robert Bednarik, gebürtiger Österreicher und heute als australischer Professor internationale Koryphäe der Vorgeschichte und Anthropologie, jetzt in einem Beitrag der Zeitschrift "Current Anthropology". Sein Beweisstück: ein sechs Zentimeter hohes Steinchen mit durchaus menschlichen Proportionen.
Zufall brachte das Artefakt in die Hände von Bednarik. Gefunden hatte es Lutz Fiedler, Prähistoriker aus Marburg, als er 1999 in Marokko nach alten Handäxten und anderen Werkzeugen aus der Acheuléen-Zeit grub, der älteren Faustkeilkultur vor 300 000 bis 500 000 Jahren. Fiedler sah den Fund "lediglich als Kuriosum an", wie er heute sagt, ohne auf die Idee zu kommen, die menschliche Form sei auch von Menschenhand geschaffen. Erst ein Wissenschaftsjournalist, der ihn besuchte, schöpfte Verdacht, schaltete Bednarik ein. Der sah sich das Objekt zwei Tage intensiv unter dem Mikroskop an und fand darauf Spuren, die seiner Ansicht nach eine zielgerichtete, künstlerische Bearbeitung mit spitzen Steinen beweisen. Bednarik und Fiedler wollen die Statuette nun nach der Auswertung an Marokko zurückgeben.
Die Lesart Bednariks ist nicht unumstritten. Stanley Ambrose, Paläoanthropologe von der Universität Illinois, bestreitet die angeblichen Beweise für menschliche Eingriffe am Objekt. Seiner Ansicht nach ist die Form allein durch Witterungseinflüsse entstanden. Dies allerdings stellt auch Bednarik nicht infrage, soweit es die groben Umrisse angeht. Die Feinbearbeitung aber, so schreibt er, sei künstlicher Natur. Auch will er Spuren von aufgetragener roter Farbe entdeckt haben.
Der Ursprung der künstlerischen Ader unserer Ahnen erfuhr im vergangenen Jahrzehnt mehrere Vorverlegungen. Erst im Januar 2001 behaupteten italienische und kanadische Wissenschaftler, mit einem Fund von den Golanhöhen die Urskulptur dingfest gemacht zu haben: die "Lady aus Berehkat Ram", die sich ihres Alters von 233 000 Jahren nicht zu schämen brauchte. Dies war ein gewaltiger "Rückschritt" gegenüber "Fanny", der "Venus vom Galgenberg" aus Niederösterreich, die seit 1988 mit 30 000 Jahren lange Zeit als ältestes plastisches Kunstwerk galt.
Parallel zu den Skulpturenfunden fand eine ähnliche Entwicklung bei Höhlenmalereien statt. Kaum hatte man 1994 in Südfrankreich mit einem vermeintlichen Jahrhundertfund 32 000 Jahre alte Bilder entdeckt, da jagten 2001 italienische Forscher mit ihrem Fund aus der Fumane-Höhle nördlich von Verona dem Nachbarland den Rekord ab. Doch ist all dies nichts gegen die knappe halbe Million Jahre, die Bednarik geltend macht. Immerhin produzierte damals ein rund 15 Prozent kleineres Gehirn solche schöpferischen Ideen. Aber auch ein gut gekühltes: Wir befinden uns in dieser Ära nämlich in der letzten großen Eiszeit.
400 000 Jahre alte Skulptur identifiziert
Archäologie
Eine etwa 400 000 Jahre alte Skulptur aus Marokko hat jahrelang bei einem Marburger Archäologen im Arbeitszimmer geschlummert. "Ich habe den sechs Zentimeter langen Stein vor neun Jahren bei einer Exkursion im südmarokkanischen Draa-Tal gefunden und als Handschmeichler mitgenommen", sagte Lutz Fiedler. Vor einem Jahr habe er den Stein dem australischen Experten für prähistorische Kunst, Robert Bednarik gezeigt. Der Wissenschaftler fand heraus, dass die Skulptur aus der Faustkeilkultur stammt. Damit gehöre die Skulptur möglicherweise zu den ältesten Kunstobjekten der Welt. Benno Fürmann dpa
http://www.welt.de/data/2003/05/27/102898.html